Ausgabe 50 - Oktober 2013

1 Mitteilungsblatt Bürgerverein Grönland 1952 e.V. Ausgabe Nr.50 Herbst 2013 (www.buergerverein-groenland.de) Vom Kneipenleben & Vom Kneipensterben im Grönland von Heinz-Werner Knoop „Ein Volk, das seine Wirte nicht ernähren kann, ist es nicht wert, sich eine Nation zu nennen“ (Otto von Bis- marck zugeschrieben). Unser Grönland ist nun wahrlich weder ein ganzes „Volk“ noch gar eine „Nation“, aber seine Wirte, von denen es unbestritten einmal eine größere Anzahl in seinem Bezirk hatte, konnte es augenscheinlich wirk- lich nicht mehr ernähren. Das „Gaststättensterben“ schritt hier wie überall unerbittlich voran. Mit Glück wird in unserem Bezirk dieser Tage das „Westend“ als – zurzeit - Einziger der Mohikaner wieder seine Pforten öffnen. Das Kneipensterben darf man mit Fug und Recht den Wegfall einer wichtigen Viertel- und Nach- barschaftskultur nennen, zugunsten des „Jeder ist sein eigener Kneipier, wir eventen zu Hause“. Was war hier früher los? Wir haben mit einem kompe- tenten Nachbarn und langjährigen, verdienten Mitstrei- ter im BV-Vorstand darüber gesprochen. Herbert Schumacher (83) von der Gutenbergstraße muss es nämlich wissen: Er war selbst von 1969 bis 1974 mit seiner Frau Marlies, die das Metier richtig gelernt hatte, Gastwirt gegenüber seiner jetzigen Wohnung, im „Zum Gutenberg“. Und in dieser Zeit bereits bekam er Vor- zeichen eines nachlassenden Wirtshausbesuchs mit, damals vor allem durch den Siegeszug des soeben ein- gefärbten Fernsehens in die Wohnzimmer. Aber noch ging alles seinen gewohnten Wirtshausgang. Das Wirtspaar Schumacher war weiß Gott nicht alleine im Bezirk. Ein paar Meter südlich, an der Ecke St. Tö- niser und Gutenbergstraße, gab es schon die nächste Wirtschaft („Eher eine Pinte, wie man so sagt, da gab es dann auch schon mal was auf die Nase“). Noch wei- ter südlich, am Ende des gerade errichteten ersten EKZ, kehrte man in der ebenfalls neuen Gastwirtschaft Ross ein. Das Westend mit Hotelbetrieb und das Ausflugslo- kal Schrörshof an der St. Töniser Straße waren schließ- lich auch noch da, neben dem Herstatthof knapp hinter Grönlands südwestlicher Grenze am Weeserweg (heute das Lukullus). Somit sind wir bei fünf bis sechs Gaststätten Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger angekommen. Und jeder Wirt konnte leben, wie zu zei- gen sein wird. Was lief damals so im „Gutenberg“? „Wir öffneten mor- gens um 10, wenn die ersten Rentner ihren Frühschop- pen zu sich nahmen; mittags gesellten (!) sich Handwer- ker dazu, um eine Mahlzeit nebst Getränk einzuneh- men.“ Von 14 bis 16.30 Uhr war Pause. „Alsbald er- schienen Herren in guter Kleidung, die hatten gerade Feierabend beim RWE am Preußenring, heute Außen- stelle Amtsgericht.“ („After-work-party“ nennt man das wohl heute in zeitgemäß aufgemotzter Manier, d.V.) „Und ab 19 - 20 Uhr kamen regelmäßig auch jüngere Leute, viele vom Trainings- und Spielbetrieb des VfR Rasensport, dessen Vorstand hier auch regelmäßig tagte. Die tranken aber meistens nur Cola, Limo und Wasser, das muss dem Sportsgeist der jungen Leute bescheinigt werden.“ Der Besuch am Abend sah auch regelmäßig Mitglieder der großen Volksparteien beiderlei Couleur („mit etwas mehr Schwerpunkt bei der CDU“) wie auch Vereinsversammlungen, darunter natürlich auch der BV, damals noch mit seinem Ur-Vorsitzenden Hans Stienen, später nachgefolgt von Marianne Schüren. Regelmäßig mittwochs nachmittags öffnete das „ Guten- berg“ seine „Altenstube“. Für vorwiegend ältere Damen aus der Umgebung vergingen an die zwei Stunden wie im Flug, und den Kuchen dazu lieferten die Bäckersleute Heinz und Marlies Knops von der St. Töniser Straße, zu günstigen Konditionen. Es gab auch regelmäßig tagende Nachbarschafts- Stammtische. „Man spielte Karten, knobelte und tausch- te natürlich den neuesten Grönland-Tratsch aus.“ Der Gaststätten-Fernseher wurde nur zu Fußballübertragun- gen eingeschaltet , ansonsten blieb er dunkel. Montags war Ruhetag. An einem dieser Tage waren Schumachers auf Besuch in ihrer alten Heimat Duisburg, und als sie zurückkamen, war im „Gutenberg“ eingebro- chen worden. Die Spielautomaten und das Sparclub- schränkchen hatten daran glauben müssen. Doch die Täter ließen eine einzelne Fußspur zurück, anhand derer einer der Diebe dingfest gemacht werden konnte. Zur Verwunderung der Schumachers kam der von gar nicht so weit her… Auch das gab es natürlich.

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